wanderduene
Leben, um davon zu erzaehlen
jollyj | 25. Mai 07
Wenn ich mal alt bin, Grossvater, ich im Schaukelstuhl sitze und meine Enkelkinder eine Geschichte hoeren wollen, dann stopfe ich meine Pfeife, beuge mich in Grass'scher Manier nach vorne, fang an zu kichern und erzaehle ihnen von der Zeit als ich ein Superstar war:
"Kinners, ich war noch ein Jungspund, 20 Jahre alt, eure Grossmutter kannte ich damals noch gar nicht. Ich reiste durch China und hielt in einem kleinem Staedtchen, das im ganzen Land dafuer beruehmt war, dass viel Fremde dorthin gingen, um sich die Landschaft, wunderschoene,ausserirdisch anmutende Karsthuegel uebrigens, anzuschauen.
Eines abends ging ich durch die Strassen, da sprachen mich elf, zwoelf Chinesen an und wollten wissen, ob ich mit ihnen Englisch sprechen koennte....
Na! Tom! Ich sehe wohl, dass du heimlich auf den Fernseher linst...
Ja, jedenfalls ging ich mit den Chinesen dann in ein Restaurant, ich ass ein leckeres, nicht zu scharfes suess-saures Huehnchen...Mmmmh das war gut, genauso wie die Schweinespiesse am naechsten Abend, genau richtig gekocht, mit knackigem Gemuese und die Sosse erst, wenn eure Grossmutter nur so kochen koennte...Aber wo war ich?
Ach ja...wir unterhielten uns miteinander, manchmal redeten wir auch voellig aneinander vorbei, aber das machte nichts. Wir lachten und fragten uns gegenseitig aus und am Ende des Abends luden sie mich dann ein, mit ihnen am naechsten Tag auf eine Radtour zu gehen. Ich dachte mir, dass wird lustig, zumal die eine Chinesin auch ganz huebsch war und vielleicht...
Na am naechsten Tag hatte sich das dann auch erledigt, beaugten mich doch 120 kleine Augenpaare am Treffpunkt. Zehn von ihnen gehoerten Jungs, der Rest Maedchen. Der Tourguide hatte eine grosse rote Fahne und damit er auch immer wusste, wer zu seiner Gruppe gehoerte, bekam jeder ein rotes Kaeppi.
Es gibt naemlich so viele Chinesen, Kinners, die alle gleich aussehen, dass die Chinesen selbst Probleme haben, sich auseinanderzuhalten!
Und schon bevor wir losfuhren, wollte ein Maedchen ein Foto mit mir machen, klar warum nicht, und dann kam noch ein Maedchen, das auch ein Foto wollte, okay und dann wieder "Would u mind if i take a picture with u?": Noe, noe, mach nur, ich posierte, packte das Laecheln aus, dem schon eure Grossmutter nicht widerstehen konnte, umarmte manche Maedchen und da kicherten ihre Freundinnen und am Ende waren es bestimmt zehn Fotos, die sie gemacht hatten. Tom! Du sollst Lene nicht immer aergern!...
Und dann fuhren wir los, eine lange Kette roter Muetzen auf alten Klappfahrraedern. Jedesmal wenn mich ein rote Muetze ueberholte rief sie meinen Namen und winkte und ich winkte zureuck. Am ersten Halt kamen noch mehr Fotowuensche, ja gut, kann nun auch nicht mehr schaden und damals, Kinners, als ich zwanzig war, da sah ich gut aus. Kann euch ja ein paar Fotos zeigen, muesste sie irgendwo haben. Wartet. ILSE? Weisst du, wo ich die Kiste mit meinen alten Urlaubsfotos hingetan habe?...
Na spaeter mal, Kinners. Auf jeden Fall erkannten das auch die Chinesinnen und stellten einen der Jungen an, um mich zu fragen, ob ich denn eine Freundin haette und als ich verneinte gab das ein Ahhh und Ohhh in den Reihen. Dann erfuellte ich noch ein paar Fotowuensche bevor wir mit Bambusfloessen auf einem Fluss herumschipperten. War eine gemuetliche Bootspartie. Zurueck an Land, begannen dann einige der Maedchen sich in lokale Trachten zu huellen und - "Ein Weisser und ich in einem bunten Kleid, was fuer ein perfekte Erinnerung!", werden sie sich wohl gedacht haben - und fragten gleich nach einer neuen Runde Fotos. Na von mir aus. Dann speisten wir und verabschieden uns daraufhin und machten - was sonst - natuerlich noch ein Foto....
Das war ein lustiger Tag, Kinners. 120 Chinesen mit roten Muetzen, hundert Klappfahrraeder, chinesische Pop-Songs und Kichern und Keuchen wegen der Hitze und das Klicken der Kameras, die heimlich hervorgeholt wurden und ich mittendrin."
Und da wuerde ich mich zuruecklehnen und bei der Erinnerung lachen und beginnen zu husten und keine Luft mehr kriegen und meine Frau Ilse um das Sauerstoffgeraet bitten, tief durchatmen, zufrieden in die Ferne schauen und an ein Buch von Gabriel Garcia Marquez denken, das "Leben, um davon zu erzaehlen" heisst...
Und meine Enkel? Tom waere laengst im Nachbarzimmer verschwunden, wo die Play Sation 21 steht und Lene wuerde friedlich auf dem Sofa schlafen, denn - mal ernsthaft - welche Enkel wollen schon so eine langweilige Geschichte hoeren und - mal ernsthaft - das ist doch alles Quatsch. Wer wuerde schon eine Frau heiraten, die Ilse heisst und nicht kochen kann?....;)

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tom price, Montag, 28. Mai 2007, 13:58
jaja, nicht wahr? man reist, um zu erzaehlen.
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