Die Stadt der tausend Lichter
jollyj | 19. Mai 07
Mit der Faehre von Macau nach Hong Kong, endlich wieder Meer, wenn auch von Smog verhangen, dann Grenzkontrolle, rot leuchtet die Kontrollampe des Passscanners und geld die Vogelgrippewarnungen, tragen Sie bitte einen Mundschutz wenn sie Fieber und Atmungsschwierigkeiten haben und konsultieren sie den nachsten Arzt, dann in den Strom der Einreisenden eingliedern, weisse Gesichter allerorts, britischer Akzent hier und da; und raus aus der Ankunftshalle, sehe zuerst Doppeldeckerbusse, ankommend, links blinkend und abfahrend, rechts blinkend, schaue mir die Passagiere im Oberdeck an; schaue weiter nach oben, folge der Fluchtlinie der Hauser und da kreist ein Falke ueber mir, waehrend Passanten links und rechts an mir vorbei hasten, auf den Boden, die Uhr, das Handy starrend.
Der Falke stuerzt nach unten, zwei Meter vom Dach des Busses entfernt faengt er sich auf und verschwindet mit ein, zwei Fluegelschlaegen in den Haeuserschluchten, ueber denen halbierend der Sonnenschatten liegt...der Verkehr schlaengelt sich weiter wohlgeordnet auf der linken Strassenseite entlang, man haelt hier an roten Ampeln und hupt nicht und blinkt und faehrt keine Motos, sondern Mercedes und Toyota und Hyundai und noch mehr Toyota oder ab und zu einen schimmernden Aston Martin.
Die Passanten, die mich passieren: Chinesen natuerlich, Japaner, Amerikaner, Afrikaner und Europaer - international. Weisse I-Pod-Stoepsel und Chucks bei den einen und Anzuege und Krawatte bei den anderen - global. Jung und alt, bunt gemischt, fashion and finances - universal. Ein rotes Banner faellt mir auf. Es ist Werbung der Stadtverwaltung: "Hong Kong - Asia's World City"....
Ich schnappe meinen Rucksack, ziehe los, brauche Geld, verteidige nach Sitte des Landes ziemlich restriktiv mein Vorrecht auf den Automaten, marschiere weiter und es daemmert schon und die Lichter gehen an, sehe meine 20-Stockwerk-Festung, die ich fuer 5 Tage zu Hause nennen werde, checke ein, sehe die Groesse des Zimmers und okay, was habe ich denn erwartet, fuer diesen Preis, mitten in der Stadt. Schlaf dann, Traeume...Am naechsten Morgen die Begegnung mit der Realitaet. Mein Gewissen drueckt: Studium! Bewerbung! Ach ja, da war ja noch was. Okay, wat mut dat mut. Augen zu und durch.
Danach Augen auf und rein, rein in die Stadt, wieder der Nase nach, die nach Hong Kong Island zeigte zu den Wolkenkratzern, dem postmodernen Bildnis des chinesischen Jahrhunderts: Provinzler-Staunen dort und Erinnerungen an die Londoner Docklands mit steifem Nacken und Fotorausch - der erste von vielen. Gefolgt vom Ausblick von Victoria Peak, dem Naturparadies mitten in der Stadt, das sturr und starr in Hoehe alle Menschenbauten ueberragt.
China! Lass dir das ein Zeichen sein!
Die Sonne geht unter, man sieht den Hafen, Frachtschiffe mit schwerer Containerladung, die Faehren, die wie zum Japan-Test zwischen den beiden Teilen Hong Kongs hin- und herhuschen, der Himmel faerbt sich babyblau, rosa und gelb: Ein Vanilla Sky. Und dann, dann gehen die Lichter an, erst undeutlich, dann mit Kraft. Sie beschreien Firmen, leuchten den Fussgaengern den Weg und erhellen die schnicken, suendhaftteuren Apartments am Huegelrand in Soho, dem Szeneviertel. Tausende von Lichtern, das Blau der See verliert sich in der Nacht, an seiner statt das Bunt des Lichtermeers....tausende ueberall, begrenzt von den Huegelketten am Horizont. Und da hat sie mich die Stadt, packt mich, ich lass mich packen, denn diese Aussicht, die war es...Und Hong Kong sollte mich nicht mehr loslassen.
Am naechsten Tag das Kunstmuseum mit einer Videoinstallation und Rot und Weiss und Schwarz die chinesischen Gemaelde, gedaempftes Licht erhellt sie, in anderen Schaukasten glitzern antike Vasen. Und Second-Hand-Fotolaeden, in denen sich von Leica ueber Pentax bis Canon hunderte alte Kameras stapeln, Sonnenblenden so viele, dass sie ganze Kisten fuellen, ein Regal voller Filter, von 42 bis 72 mm alles dabei, ich beginne zu rechnen, lass mir Objektive zeigen, mache Testfotos im Kunstlicht der Leuchstoffroehren und im Sonnenschein und schlage schliesslich zu. Ein Weitwinkel fuer mich.
Wie ein kleiner Junge stuerze ich los, mein neues Spielzeug auszuprobieren, gehe zum Hafen, justiere und knipse, probiere und arrangiere, bin wie ein Tolstoi-Leser und spiele das Gedulds-Spiel, warte, dass die Passanten, das machen, was ich will und bin schliesslich zufrieden, setze mich und rauche und hoere das Paerchen neben mir von einer Show sprechen, die gleich anfaengt. Kann ja nicht schaden, mal zu warten.
Well, nein es schadet wirklich nicht. Auf den gegenueberliegenden Daechern tanzen zur Show Laser und Strahler zum Rhytmus der Musik, bilden Daecher ueber dem Hafen, die Touristen staunen und ich auch, gehe zum Hostel, denke zurueck an das gruene Laserdach ueber mir, passiere dabei rot-gelbe Mc Donalds-Zeichen und kitschige pink-blinkende Restaurantschilder. Grelle indische Wortblitze treffen mich, Rolex, Rolex und Do u need a tailor?, nein, betrete meine Festung, fahre in den 12. Stock, lege mich ins Bett und schaue aus dem Fenster, schaue auf Hong Kong, spuere wie es mich haelt, schaue auf das bunte Meer. Und liebe diese Stadt.