wanderduene
Montag, 28. Mai 2007
Die Gaukelspiele 2008
jollyj | 28. Mai 07
Es ist nicht so, wie man es vielleicht erwartet haette: Man merkt es kaum, es schlummert und versteckt sich, die chinesische Regierung weiss es gut zu ueberdecken - mit einem wohlinszenierten Gaukelspiel.
Chinas Fassade prunkt mit Beton und Chrom und Stahl, der hoechsten Eisenbahnstrecke der Welt, dem groessten Staudamm, der laengsten Bruecke, der laengsten Rolltreppe und einem eigenen Raumfahrtprogramm. China prunkt mit einer Wirtschaft, die so schnell waechst, dass sie kuenstlich verlangsamt werden muss. Ein Chinese kommentierte das folgendermasen: "20 years, my friend! 20 years and we are bigger then the US!" China prunkt mit den fuenf olympischen Ringen, Beijing 2008; die Spiele sind hier der Fokuspunkt nationalen Stolzes, alle grossen Konzerne sponsorn sie, die Jugend trainiert hart um Startplaetze, Strassen und Bruecken werden dafuer gebaut, hypermoderne Schnellzuege eingeweiht, die Beijing und Shanghai verbinden und am Base Camp des Mt. Everest wird das ganze Zeltlager der Expeditionen zwei Kilometer nach hinten verschoben, um die Glorie der Fernsehbilder nicht zu zerstoeren, wenn die olympische Fackel demnaechst auf den hoechsten Berg der Welt getragen wird.
Das Land ist stolz auf seine Groesse und Staerke, stolz auf Olympia. Keine fremden Laender koennen ihm jetzt noch die Politik diktieren oder es besetzen, wie es noch vor hundert Jahren geschah, als die europaeischen Maechte sich mit Waffengewalt Handelsrechte und Haefen erkaempften und Japan spaeter ein fuenftel des Landes besetzte und es ausbeutete und die Bevoelkerung misshandelte. Die Zeit ist vorbei. China ist laengst keiner Spielball mehr; es ist jetzt ein Player. Es ist eine Grossmacht, politisch wie oekonomisch und mit der Vergabe der Spiele an Peking zolllt die Welt diesem Fakt Tribut...Nur zu welchem Preis?
Der schlummert und versteckt sich hinter der Fassade, hinter dem Augenscheinlichem und Greifbarem. Mein Versuch mir auf wikipedia.com Informationen ueber Tibet zu holen, scheiterte. "Diese Seite kann nicht angezeigt werden" verkuendete der Bildschirm. Dasselbe galt fuer fast alle Angebote, die ueber Google abrufbar sind - im Einvernehmen mit der Konzernleitung wohlgemerkt. In den Buchlaeden laesst sich zwar Literatur zum Thema finden, diese entspringt dann aber der Feder von Journalisten der staatlichen chinesischen Nachrichtenagentur oder dem "Presseamt der Tibetischen Autonomen Region" und sind nichts weiter als bluemchenbunte Schilderungen einer angeblichen jahrhundertelangen, engen Verbindung zwischen Tibet und China. Von der Existenz einer Exilregierung unter dem Dalai Lama, von zahllosen brutal niedergeschlagenen Aufstaenden und der Pluenderung der Kloester waehrend der Kulturrevolution berichten sie natuerlich nicht. Das Massaker am Platz des Himmlichen Friedens hat laut chinesichen Geschichtsbuechern auch nie stattgefunden.
Und als ich meine rotbemuetzten, chinesischen Fahrradfreunde fragte, ob ihnen das bewusst sei, blockten sie ab. Verstaendlich; sie haben Angst und wissen es nicht besser. Aber dann wechselten sie abrupt das Thema, wie als wollten sie unbewusst das Ueberdeutliche nochmal verdeutlichen. Sie fragten, womit man in Europa mehr Geld verdienen koenne - mit Lotusdueften oder Bambusmoebeln....Da ist es! Das Pekinger Blendwerk: "Im Geld liegt die Freiheit!", saeuselt die Regierung mit ihrem politischer Spagat aus wirtschaftlicher Oeffnung und totaler Kontrolle den Chinesen ins Ohr, betaeubt damit jeden politischen Gestaltungswille. Da wird der Dollar zum Opium des Volkes. Es schlummert und versteckt sich, aber einmal gepackt und ans Licht gezerrt, vom Propaganda-Kostuem befreit und genau betrachtet, offenbart es sich: Dieses Land traegt noch immer stark diktatorische Zuege.
Und das schlimmste daran ist, dass es die Regierungen dieser Welt, gelenkt von wirtschaflichen Interesse, nicht interessiert. Olympia 2008 wird leider nur eine weitere Buehne, wenn auch die mit Abstand bedeutendste, fuer die Propaganda der Kommunistischen Partei Chinas sein. Aber man darf gespannt sein, ob sich der Rest der Welt, wie 1936 in Berlin schon einmal geschehen, von solch einem Gaukelspiel neuerlich zum Narren halten lassen wird.

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